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„Wir lassen uns eine Glocke gießen“, war das Ergebnis unserer Klausurtagung im Rahmen der Vorbereitungen zum Kivelingsfest 2008. Einige Getränke mussten fließen und viele Stunden zogen an uns vorbei, bis uns früh morgens die Idee kam:

„Wir lassen uns eine Glocke gießen“

Glocke mit KoggeDoch ist es wirklich das Highlight, nach dem wir so lange gesucht haben? Können wir unsere Glocke überhaupt realisieren oder sollte es dabei lediglich auf ein altes, verrostetes und verbeultes Stahlrohr hinauslaufen?

Diesen Fragen nahmen wir uns in zahlreichen Stunden der Planung und Recherche an. Glockentöne wurden intensiv verglichen, verschiedene Merkmale wurden untersucht und Angebote von Glockengießereien wurden eingeholt. Ein Unternehmen sprach uns ganz besonders an. Ein kleiner Familienbetrieb in Gescher bei Coesfeld.

Es handelte sich dabei um die Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock. Bis ins Jahr 1690 reicht die Gusstradition dieses nun schon in zwölfter Generation geführten Familienbetriebes. Als wir uns weitere Informationen einholten, wurden wir gleich zu einer Betriebsbesichtigung eingeladen. Bei dieser wurde uns erklärt, dass unsere Glocke in 7 Schritten gegossen wird:

Das Geheimnis

Der Glockengießer errechnet nach Ton, Durchmesser und Gewicht die „Rippe“, das Profil der künftigen Glocke. Er zeichnet sie auf ein Buchenbrett, das später als Schablone dienen wird.

Der Kern

Die Schablone wird entlang der inneren Kontur ausgeschnitten. Sie wird an einer Spindel drehbar befestigt und über dem Formstand in der „Grube“ angebracht. Der Schablone folgend, wird nun der erste Teil der Glockenform, der „Kern“ hohl mit Ziegeln aufgemauert. Darauf wird mit Zusätzen vermengter Lehm von Hand aufgetragen. Durch den Hohlraum kann die Kernform von innen heraus beheizt werden, um auszutrocknen und gebrannt zu werden. Diese Arbeitsgänge werden mit immer feinerem Lehm so lange wiederholt und mit der Schablone rundherum abgestrichen, bis ein glatter, die Schablone genau ausfüllender Kern entstanden ist. Er entspricht dem Inneren der Glocke, dem Hohlraum. Alle Formarbeiten nehmen viel Zeit in Anspruch, da jede einzelne Lehmschicht trocken sein muss, bevor die nächste aufgetragen werden kann.

Die falsche Glocke

Die Schablone wird entlang der äußeren Kontur ausgeschnitten und somit das Maß für das Modell der Glocke, das „Falsche Glocke“ genannt wird. Auch sie entsteht durch fortgesetztes Auftragen der immer feiner werdenden Lehmschichten bis die Schablone ausgefüllt ist. Zuletzt erhält die Falsche Glocke mit der Schablone eine Trennschicht aus Fett, auf die Verzierungen und Schriften aus Wachs aufgesetzt werden. Die Falsche Glocke ist ein genaues Abbild der künftigen Glocke.

Der Mantel

Im folgenden dritten und letzten Formabschnitt wird der „Mantel“ gefertigt. Hierzu hat die Schablone ausgedient. Zunächst bringt man sehr feinen Lehm auf die Falsche Glocke. Die darauf folgenden Schichten, die zudem armiert werden, sind zunehmend gröber. Wieder wird die Form beheizt und jeder Lehmauftrag getrocknet, bevor der nächste folgt, bis der Mantel die erforderliche Stärke hat. Das Wachs der Glockenzier auf der Falschen Glocke ist durch den Trockenvorgang weggeschmolzen. Beim Abheben des Mantels zeigt seine Innenwand nun alle Schriften und Verzierungen im Negativ. Die Falsche Glocke hat nun ausgedient und wird vorn Kern entfernt. Der Mantel wird wieder über den Kern gestülpt. Dazwischen ist der Hohlraum entstanden, den vorher die Falsche Glocke eingenommen hat und der beim späteren Guss mit Bronze gefüllt wird. Die Kronenform wird ausgehend von einem Wachsmodell gesondert hergestellt und der Glockenform aufgesetzt.

Die Gussvorbereitung

In die Gussgrube wird schichtweise Erde zwischen die Glockenformen eingebracht und festgestampft, damit die Mantelformen den Druck der Schmelze beim Guss aushalten. Schließlich ragen nur die „Windpfeifen“ und das Eingussloch jeder Glocke in die ebene Oberfläche der obersten Erdschicht. Auf ihr mauert man offene Rinnen, die das flüssige Metall zu den Gusslöchern der einzelnen Formen leiten werden.

Der Glockenguss

Stunden vorher wird der Schmelzofen aufgeheizt und mit der Glockenspeise, bestehend aus 78 % Kupfer und 22 % Zinn, beschickt. Bei etwa 1100 °C hat die Bronzeschmelze die erforderliche Gusstemperatur. Der Zapfen, der den Schmelzofen verschließt, wird ausgestoßen. Durch die offenen Rinnen fließt die Schmelze zu den Eingusslöchern der Glockenformen. Auf Anweisung des Meisters wird das jeweilige Gussloch geöffnet, die Form füllt sich, Gase und Luft entströmen den Windpfeifen.

Das Geläute

Glocke der Emspiraten

Die Bronze erstarrt in den Formen. Tage später sind die Glocken ausreichend abgekühlt und werden ausgegraben. Sie werden von ihrem Mantel und Kern befreit, gereinigt und musikalisch geprüft. Mit den nötigen Armaturen werden sie im Glockenstuhl montiert.
Nachdem wir mit vier Abgesandten der Sektion eine „Zeitreise“ durch die Geschichte der Glockengießerei und des Glockengießerhandwerks erhielten, waren wir uns schließlich sicher, mit diesem Projekt einen besonderen Akzent auf dem Kivelingsfest 2008 setzen zu können. Und wieder fingen wir an zu grübeln: wie können wir die Glocke auf dem Kivelingsfest präsentieren und in unser Programm integrieren? Die Fragen wurden mit der Zeit beantwortet. Nun fehlt nur noch eines! Dürfen wir das Projekt „Eine Glocke für die Wachsektion“ überhaupt angehen? Werden die Emspiraten die neue Wachsektion?Am 18. November 2006 war es denn soweit. Der Gong zum Glockenguss hat geschlagen.

Wir sind die Wachsektion zum Kivelingsfest 2008!

Kaum war die erste Hürde genommen, kamen wir schon zur nächsten. Wie soll unsere Glocke aussehen bzw. klingen? Und was soll auf der Glocke zu lesen und zu sehen sein? Fest stand, dass wir eine männliche Glocke haben wollten, die eine möglichst tiefe Stimme hat. Das Problem dabei war, dass die „Stimmlage“ vom Materialeinsatz abhängt. Das bedeutet, je tiefer die Stimme sein soll, desto schwerer wird die Glocke und unsere sollte noch von zwei Personen transportierbar sein.

Die Glocke wurde bestellt. Nach 6-wöchiger Gussdauer konnten wir unsere Glocke endlich abholen. Gespannt fuhren wir nach Gescher und waren begeistert von dem Ergebnis.

Gewicht: 104 kg
Durchmesser: 547 mm
Material: Bronze
Gussjahr: 2007
Ton: sehr männlich

Neben den technischen Daten spielten die gestalterischen Elemente eine weitere wesentliche Rolle. Natürlich musste das Sektionswappen, die Kogge, auf der Glocke zu sehen sein. Neben der Kogge ist ein Lilien-Zierfries an der Schulter (oben) angebracht.Die Inschrift „Wachsektion Emspiraten A. D. 2008 – Pro Civibus Et Civitate“ ist zwischen 2 Stegen unterhalb des Zierfrieses aufgesetzt und als Trennungszeichen wurden zwei Weihkreuze von der Glockengießerei eingefügt. Neben den Sektionselementen wollten wir unsere Vereinszugehörigkeit durch die Wappendevise des Bürgersöhne-Aufzuges „Die Kivelinge“ e.V. „Pro Civibus Et Civitate ~ für die Bürger und die Stadt“ deutlich machen. Ein weiteres Gestaltungsmerkmal – in alter Gießtradition – stellt neben dem Sektionswappen, das Wappen der Glockengießerei und das Gussjahr dar, das zusätzlich auf unserer Glocke dargestellt wird.

Doch wie sollte unsere Glocke denn nun eigentlich heißen? Diese Frage wurde auf dem Kivelingsfest 20008 beantwortet. Am Samstag, dem 10. Mai 2008, um 14.00 Uhr wurde unsere Glocke auf dem Platz der Wachsektion, vor dem historischen Rathaus, geweiht. Der König der Kivelinge Ekke Seifert hatte mit seiner Königin Gesche Klukkert unsere Glocke mit dem speziell hergestellten „Glockentrunk“ geweiht und „seinen“ stolzen Namen dem Volk verkündet.

Charles

C.C.C.
Karl-Hermann-Pingel

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